
Liebe Velberterinnen, liebe Velberter,
als Bauwerk mit der längsten Bauzeit der Menschheitsgeschichte gilt die chinesische Mauer. Die gesamte Bauzeit erstreckte sich über einen Zeitraum von mehr als 2000 Jahren. Da die Mauer exakt 21196 km lang ist, hat man pro Jahr also 10,6 km geschafft. Eine stolze Leistung eigentlich, wenn man bedenkt, dass mit dem Bau bereits im 7. Jahrhundert vor Christi Geburt begonnen wurde.
Für rund 10 km benötigt man im 21. Jahrhundert nach Christi Geburt in Deutschland nämlich gelegentlich fast 60 Jahre. Zum Beispiel für den Lückenschluss der Autobahn A44 zwischen Ratingen und Velbert.
Ich bin jetzt auch fast 60 Jahre alt. Seit ich denken kann, wird in Velbert über diesen Autobahnanschluss gesprochen. Die erwartungsvolle Hoffnung, die wir Velberter anfangs hatten, wich später mehr und mehr großem Ärger und noch später tiefgehender Frustration. Mal gab es kein Baurecht, mal keine Finanzierung, manchmal beides nicht und immer wieder gab es Klagen, politische Störfeuer und ja, auch Pleiten, Pech und Pannen. Jeder Velberter Bürgermeister seit Heinz Schemken, dem unumstrittenen Vorkämpfer für dieses Projekt, saß jedem Verkehrsminister sprichwörtlich "auf dem Schoß" und erinnerte ihn an die Bedeutung dieser Verkehrsanbindung für den gesamten niederbergischen Wirtschaftsraum. Leider immer wieder vergeblich - so schien es.
Jedenfalls bis zum 14. April 2018. An diesem Tag wurde tatsächlich der sogenannte "Ostabschnitt" von Heiligenhaus (Hofermühle) bis Velbert (Anschlussstelle Hetterscheid) für den Verkehr freigegeben. Nun aber, dachten wir alle, wird es doch noch Wirklichkeit. Die letzten 4,4 km (!) dürften doch kein Problem mehr sein - zumal das größte Bauwerk, die Angertalbrücke schon fertiggestellt ist (siehe Bild).
Tja, die Brücke steht jetzt einsam in der Landschaft und wartet auf die Autobahn.... Denn, richtig, es gibt mal wieder Probleme.
Als Herr Merz, unser amtierender Bundeskanzler, sofort nach der letzten Wahl sein Versprechen, die Schuldenbremse zu erhalten, brach und ein 500 - Milliarden € - Schuldenpaket durch den Bundestag beschlossen wurde, war ich erstmal enttäuscht und sauer. Aber immerhin, dachte ich, ist jetzt wenigstens das Geld für das restliche A44-Stückchen da. Ist ja gemessen an dem als "Sondervermögen" getarnten Schuldenberg eher Kleingeld: 0,04 % davon würden reichen. Und ausserdem, dachte ich, war das Projekt ja schon "im Bau".
Dachte ich. Pustekuchen.
Laut dem zuständigen Projektleiter der bundeseigenen Baugesellschaft ("DEGES") ist völlig unklar, ob und wann Geld für die restlichen 4,4 km da ist. Leute habe er auch keine mehr, die hätten sich "aus Frust" über die Hängepartie nach und nach verabschiedet.
Vielleicht sollten wir die Chinesen den Rest bauen lassen. Die sind inzwischen bei sowas noch viel schneller als früher bei ihrer Mauer und haben auch das nötige Geld.
Jedenfalls ist das Projekt schon jetzt ein Symbol für die Unfähigkeit unseres Landes, große Infrastrukturprojekte zu verwirklichen. Berliner Fughafen? Stuttgart 21? Im Vergleich zur A44 geradezu schnell gebaute Projekte.
Der derzeitige Verkehrsminister heißt Patrick Schnieder von der CDU und er ist der zwanzigste (!) Bundesverkehrsminister seit dem ersten Planfeststellungsbeschluss. Bitte jetzt kein symbolischer Spatenstich oder so - hatten wir auch alles schon oft genug.
Baut einfach!
In diesem Sinne haben sich auch die Räte in Heiligenhaus und Ratingen, deren jeweils frische und neue Bürgermeister und der IHK-Chef aus Düsseldorf laut zu Wort gemeldet.
Jetzt sollten bitte noch unsere beiden Bundestagsabgeordneten (Kerstin Griese und Peter Beyer) folgen, die sich doch bei weniger wichtigen Themen vergleichsweise schnell melden. Bitte keine Scheu, weil man den Regierungsparteien angehört. Sie sind auch vor allem Vertreterin und Vertreter unserer Region.
Und bitte auch die Kommunalpolitik in Velbert - ganz im Sinne Heinz Schemkens, auf den man sich doch sonst gerne beruft. Bitte keine Scheu, weil mit den Grünen eine Partei der Stadtkoalition angehört, die ein schwieriges Verhältnis zur Autobahn hat. Selbst die Grünen sind doch inzwischen pro A44, oder? Jedenfalls dürfte der gesamte restliche Stadtrat dahinter stehen.
Also: nur Mut!
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich, vorläufig noch ohne vernünftige Autobahnanbindung, ein entspanntes Wochenende.
Ihr Stefan Freitag