
"Wir schätzen die Menschen, die frisch und offen ihre Meinung sagen - vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie wir."
Dieses Zitat, liebe Velberterinnen und Velberter, stammt nicht etwa aus dem Grundsatzprogramm von Bündnis 90/ Die Grünen, sondern von dem amerikanischen Schriftsteller Mark Twain (1835-1910, Autor u.a. von "Tom Sawyers Abenteuer"). Mark Twain, eigentlich Samuel Langhorne Clemens, war bekannt für seinen hintersinnigen Humor und seine ironsich-kritischen Kommentare.
Wenn man sich aktuelle politische Debatten anschaut, ganz egal, ob in TV-Talkshows, auf social-media, im Bekanntenkreis oder auch in Parlamenten oder Stadträten, könnte man fast meinen, Mark Twain hätte das Deutschland von heute gemeint.
Andere Meinungen zu akzeptieren scheint uns zunehmend schwerzufallen. Übrigens stimmen gleichzeitig über 40 % der Befragten in einer aktuellen Allensbach-Umfrage der Aussage zu, man könne in Deutschland seine Meinung nicht mehr frei äußern. Ein Widerspruch? Nur scheinbar, denn das eine hat durchaus mit dem anderen zu tun: wenn die Gefahr besteht, dass man bei einer freien Meinungsäußerung direkt wahlweise niedergebrüllt oder dozierend gemaßregelt wird, empfindet man das durchaus als Einschränkung seiner eigenen Meinungsfreiheit. In der Folge äussert man dann seine Meinung vorsichtshalber nur noch unter Gleichgesinnten - fruchtbare Diskussionen, die positive Reibungsenergie, die bei einem Diskurs entstehen kann, der (rein) rhetorische Kampf um die überzeugendsten Argumente - das alles bleibt dabei auf der Strecke.
Schade!
Ich bin das leid!
Ich bin es leid, dass Populisten von rechts und links ihre Besserwisserei dumpf herausdröhnen und keinen Zweifel und keine Fragen zulassen.
Und ich bin es genau so leid, dass Vertreter der sogenannten "politischen Mitte" mir mit einem geradezu unerträglichen moralischen Imponiergehabe erklären, was man heute noch sagen darf - und was nicht.
Im Grund haben sie allesamt den Wesenskern einer liberalen Demokratie nicht verstanden: das ist eine Kultur des Zweifels (auch der andere könnte recht haben) und eine Kultur des Streits (Widersprüche muss man aushalten können). Es ist eine Kultur des Kompromisses und vor allem eine Kultur der Freiheit.
Die vor den Nazis geflohene jüdische deutsch-amerikanische Publizistin Hannah Arendt definierte es so: "Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen." Diese ganz besondere Form der Freiheit - die Meinungsfreiheit - ist in Artikel 5 unseres Grundgesetzes fest verankert und hat bislang alle törichten Versuche, sie durch einfache Gesetze auszuhöhlen, überstanden.
Ich habe in den letzten Wochen viel über meine Motivation geschrieben, der Wählergemeinschaft VELBERT ANDERS beizutreten. Die stärkste Motivation habe ich mir für heute aufgehoben. Es ist die konsequente Grundsätzlichkeit, mit der man den Begriff "Meinungsfreiheit" mit Leben füllt: kein Fraktionszwang, keine Koalitionsverträge, Fokussierung auf Sachfragen, keine Bindungen an Ideologien oder Parteiprogramme, keine Vorgaben von Bundes- oder Landesparteien.
Selbst ein Freigeist wie ich, der gerne mal aneckt, darf hier schreiben, was er will - ohne Zensur und ohne Kontrolle. Egal, ob es dem Vorsitzenden passt oder mit dem Wahlprogramm übereinstimmt. Demokratie pur eben. Und so wollen wir auch unsere Arbeit im neuen Stadtrat gestalten, der am Sonntag gewählt wird: offen für andere Meinungen, konzentriert auf Sachfragen, im engen Dialog mit der Bürgerschaft, interessiert an guten Kompromissen und dabei stets seriös und integer.
Gute Politik eben.
Und da gute Politik mit gutem Benehmen anfängt, möchte ich es heute nicht versäumen, allen, die sich am Sonntag zur Wahl stellen - egal, ob für den Kreistag, den Stadtrat, für das Amt des Bürgermeisters oder des Landrates, viel Glück und Erfolg zu wünschen.
Es ist dann ja doch ein ermutigendes Zeichen für eine (noch) lebendige Demokratie , wenn sich über 250 Mitbürger aller Altersklassen und aus allen gesellschaftlichen Schichten für zehn verschiedene Parteien und Wählergemeinschaften um ein (zumeist ehrenamtliches) demokratisches Mandat bewerben.
Natürlich fände ich es schön, wenn Sie am Sonntag Ihr Kreuzchen bei der Wählergemeinschaft VELBERT ANDERS (für den Stadrat) oder bei der UWG-ME, dem Zusammenschluss aller freien Wählergemeinschaften, für den Kreistag machen. Aber noch wichtiger ist es, dass Sie überhaupt wählen gehen. Denn Wahlen sind letztlich eine besondere Form der Meinungsfreiheit, die wir in Deutschland glücklicher Weise noch erleben dürfen.
Meine Gedanken zum Wahlergebnis können Sie dann bei Interesse gerne nächste Woche lesen, gleiche Zeit, gleicher Ort.
Bis dahin verbleibe ich mit den besten Grüßen für ein wunderschönes Wochenende!
Ihr
Stefan Freitag
(freitagsgedanken erscheinen wöchentlich, natürlich freitags, auf der homepage von VELBERT ANDERS und geben die persönliche Meinung von Stefan Freitag wieder. Stefan Freitag, ehemaliger parteiloser Bürgermeister Velberts kandidiert bei den Kommunalwahlen am 14.09.2025 für die Wählergemeinschaft VELBERT ANDERS für den Kreistag und für den Stadtrat)