Vorgetragen vom Fraktionsvorsitzenden August-Friedrich Tonscheidin der Ratssitzung am 26. November 2013
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen des Rates,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
der letzte beschlossene Haushalt (für die Jahre 2012/2013) trug den Titel
„Gestalten statt kürzen“.
Heute stehen wir nicht nur vor einem haushalterischen Scherbenhaufen, nein, wir sehen auch, wohin uns diese Gestaltung gebracht hat: An den Rand des Ruins.
So musste für das Haushaltsjahr 2013 im April dieses Jahres ein Nachtragshaushalt verabschiedet werden, weil die Gewerbesteuer um rund 6,3 Millionen Euro unter den „Hoffnungswerten“ resp. Planansätzen blieb. Damit verbunden waren massive Belastungen für alle Bürger unserer Stadt. Ich spreche von der Anhebung der Grundsteuer B um 25 % oder 110-Punkte auf einen rekordverdächtigen Hebesatz von 550 %.
Inzwischen ist selbst der seit der Beschlussfassung im April nochmals um 3 Mio. Euro nach unten korrigierte Planwert Makulatur, steht eine weitere Verschlechterung der Gewerbesteuereinnahmen in Haus. Den ursprünglich für das laufende Jahr geplanten Einnahmen in Höhe von 42,5 Mio. Euro werden nach neuesten Erkenntnissen tatsächlich wohl nur ca. 34 Mio. Euro gegenüberstehen.
Auf das Problem zu optimistischer Planeinnahmen hat unsere Fraktion vor der Verabschiedung des Doppelhaushaltes mehrfach hingewiesen. Erreicht haben wir einen seriösen Ansatz indes nicht, weil sowohl die Verwaltung als auch die dem Haushalt zustimmenden Fraktionen nicht auf die Mahnungen hören wollten.
Das fatale Ergebnis: In den Haushaltsjahren 2012/2012 werden in Summe ca. 14,5 Mio. Euro an Gewerbesteuer in der Stadtkasse fehlen. 14,5 Mio. Euro weniger, als im Haushalt vorgesehen und von CDU, SPD und FDP beschlossen.
Es beschleicht mich das Gefühl, dass die unrealistischen Haushaltsansätze nur dem einen Zweck gedient haben, einen genehmigungsfähigen Haushalt zu erstellen. Denn anders ist das seinerzeitige Abstimmungsverhalten nicht zu erklären.
Als Antwort auf das Problem der unzureichenden finanziellen Ausstattung der Städte und Gemeinden durch Bund und Land bei stetig steigenden Sozialausgaben und immer neuen Aufgaben taugt es sicherlich nicht.
Damit bin ich bei den aktuellen Planungen für das Jahr 2014:Warum die Verwaltung mit Bürgermeister Freitag und Kämmerer Lukrafka an der Spitze für das kommende Jahr ungeachtet der gerade skizzierten Entwicklung eine Steigerung bei den Gewerbesteuereinnahmen um sagenhafte 26 % auf 42,9 Mio. Euro einplant, ist für mich nicht nachvollziehbar. Und dass dieser Ansatz von den zustimmenden Fraktionen, die vermutlich dieselben sein werden wie beim letzten Mal, höchstwahrscheinlich ohne Nachfrage oder schlechtes Gewissen toleriert werden wird, ist für mich erneut nur noch irritierend – und unseriös.
Wie letztendlich in dieser Stadt von der Verwaltung Politik gemacht wird, ja Sie haben richtig gehört, mag folgendes Beispiel verdeutlichen:
Der Gewerbesteuereinbruch im Haushalt 2012 wurde – wie von mir gerade berichtet – durch Steuererhöhungen, im Wesentlichen durch die Anhebung der Grundsteuer B, ausgeglichen. Unsere Frage nach dem Ergebnis des Jahres 2012 konnte (oder wollte?) die Verwaltung vor der Beschlussfassung im April 2013 nicht beantworten. Drei Wochen nach der Verabschiedung des Nachtragshaushaltes lag das Jahresergebnis dann plötzlich vor. Und siehe da, es wich nicht um € 6,3 Mio. Euro vom Haushaltsplan 2012 ab, sondern unterschritt den Ansatz „nur“ um € 1,1 Mio. Euro.
Für mich stellt sich damit die Frage: Hätten alle Ratsmitglieder, die die drastische Erhöhung der Grundsteuer B seinerzeit mitgetragen hatten, bei rechtzeitiger Kenntnis der tatsächlichen Werte immer noch zugestimmt?
Es spricht vieles dafür, dass die Entscheider schon bei der Verabschiedung des Nachtragshaushaltes wussten, wie sich die Gewerbesteuer 2013 entwickeln würde. Und damit sind wir bei einem durchaus leidigen Thema:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,der Bürgermeister einer Stadt ist immer auch der erste Bürger der Stadt. Er sollte allerdings auch der erste Diener seiner Stadt sein.
Machtstreben und die Entwicklung des eigenen Egos sollten dahinter zurückstehen. In der Vergangenheit hat sich allerdings gezeigt, dass von Seiten der Verwaltungsspitze immer wieder wechselnde Fraktionen dazu angehalten wurden, den Verwaltungsgedanken zu folgen. Dieses Spielchen zur Umsetzung von Verwaltungsideen war des Öfteren nicht von Erfolg gekrönt und man konnte den Eindruck gewinnen, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt. Selbstverständlich war für solche Ideen auch immer Geld da, Geld das uns heute an allen Ecken und Enden fehlt.
Der Hinweis, dass alle Beschlüsse durch die Mehrheit der Politik getragen werden, ist vor diesem Hintergrund bezeichnend. Diese Teile der Politik sollten darüber einmal nachdenken.
Auch der Versuch, sich hinter den Steuerschätzungen zu verstecken, ist keine Entschuldigung. Hat doch die Vergangenheit bewiesen, dass diese Schätzungen auf die Stadt Velbert nur sehr bedingt zutreffen. Ein Realistik-Seminar könnte hier weiter bringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,um Ihnen den Ernst der Lage zu verdeutlichen, möchte ich auf die Entwicklung der städtischen Finanzen seit der NKF-Umstellung im Jahr 2005 hinweisen:
Im Zeitraum zwischen 2005 und Ende 2012 hat sich das Eigenkapital um 72,4 % verringert. In absoluten Zahlen ausgedrückt sind das über 138 Mio. Euro. Wenn das kein Alarmsignal ist, was dann?
Die Frage wird auch sein müssen, wie man nach diesen desaströsen Zahlen bis zum Jahr 2016 einen ausgeglichenen Haushalt darstellen will, um den Forderungen des Landesgesetzgebers gerecht zu werden. Und die noch spannendere Frage lautet: Wie kann eine bilanzielle Überschuldung vermieden werden nach den desaströsen Jahren 2012 und 2013 - und dem jetzt vorliegenden Haushaltsplan.
Der Haushalt 2014 beinhaltet Ansätze die unrealistisch sind, birgt nicht geringe Risiken und geht mit keinem Wort darauf ein, wie die katastrophale Lage in den Griff zu bekommen ist.
Ich wiederhole nochmals die Forderung unserer Fraktion, dass die massiven Strukturprobleme im Haushalt endlich angegangen werden müssen. Bis auf zarte Ansätze bei der Verabschiedung der Haushaltsplanungen für die Jahre 2010 und 2011 blieben die Reaktionen von Verwaltung und Restpolitik fast immer aus.
Ich zeige daher beispielhaft noch einmal einige der dringend zu lösenden Probleme auf, die da u.a. sind:
- Beibehaltung von mehreren gleichartigen Dienstleistungsangeboten in allen drei Stadtteilen bei rückläufiger Bevölkerungsentwicklung
- Verhandlungen mit den Sozialverbänden über die bereits in 2010 bzw. 2012 beschlossenen Einsparungen. Hier sind durch Untätigkeit mittlerweile über eine halbe Mio. Euro vertändelt worden
- Neustrukturierung der Kunst- und Musikschule
- Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit
Vor dem Hintergrund zukünftiger Unwägbarkeiten, etwa den in Umrissen schon absehbaren finanziellen Belastungen beim Forum Niederberg, beim Klinikum Niederberg oder den weiteren Planungen zum Ausbau des Sportzentrums erscheint der vorliegende Haushaltsplan als verzweifelter Versuch, ein Luftschloss als absolut reales Bauwerk zu verkaufen.
Zum Begriff Luftschloss passt auch, dass durch Fehleinschätzungen der Verwaltung weitere Baustellen entstanden sind, auch wenn bei diesen nicht immer Kosten entstanden sind. Zu diesen Baustellen zähle ich zum Beispiel die Pläne zur Entwicklung des „sportals“ an der Rottberger Straße, die Weiterentwicklung der Wirtschaft am Standort Velbert, die Neuausrichtung bzw. Auflösung der VMG oder die Entwicklung an der Wilhelmshöhe.
Sie mögen meinen Ausführungen entnehmen, dass es nicht ausreichend ist, einen Plan mit Zahlen zu versehen und dann das Prinzip Hoffnung walten zu lassen. Nein, es muss jetzt und sofort gehandelt werden, um ein noch größeres Chaos zu verhindern!
Meine sehr geehrten Damen und Herren,bitte nehmen Sie mich beim Wort: Einem soliden Haushalt hätte unsere Fraktion gerne zugestimmt. Dass der vorliegende Haushaltsplan unseren Ansprüchen an die Solidität nicht gerecht wird, konnten Sie meinen Ausführungen entnehmen.
Nebenbei gesagt, haben wir in den vergangenen 20 Jahren den vorgelegten Haushaltsplänen öfter zugestimmt als die meisten anderen Fraktionen in diesem Rat.
Mit dem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung möchte ich schließen und mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.
August-Friedrich Tonscheid
Velbert, 26. November 2013