
Die Rechnung zahlt der Bürger
Am 31. Mai 2017 endet für Sozial-Dezernent Holger Richter die zweite achtjährige Wahlzeit. So hat es der Velberter Rat nach hitziger nicht-öffentlicher Debatte und (auf Antrag der SPD) in geheimer Wahl in der Sitzung am 12.12.2016 beschlossen.
"Dies ist eine demokratische Entscheidung, die ich respektiere", erklärte Richter am Tag nach der Ratssitzung, in der seine Abwahl beschlossen wurde, gegenüber der WAZ Velberter Zeitung (WAZ vom 15.12.2016). Oder: „Ich wollte auf jeden Fall weitermachen. Aber: Es handelte sich um eine demokratische Wahl und das Ergebnis akzeptiere ich so.“ (Quelle: Westdeutsche Zeitung, 14.12.2016).
Scheinheiligkeit?
Diese Aussagen werden den einen oder anderen verwundern, denn im Vorfeld der Ratssitzung kursierte sehr hartnäckig ein Gerücht. Soll es Holger Richter dem Vernehmen nach doch selbst gewesen sein, der seine Abwahl gewünscht und aktiv mit eingefädelt hat.
War es ein abgekartetes Spiel?
Sollte es so gewesen sein, wäre der Grund dafür nachvollziehbar. Im Normalfall ist ein Dezernent verpflichtet, sich mindestens zwei Mal der Wiederwahl zu stellen. Tut er dies nicht, scheidet er ohne weitere finanzielle Entschädigung aus. Die in der Amtszeit erworbenen Pensionsansprüche bleiben natürlich erhalten und werden ab Erreichen der Regelaltersgrenze gezahlt. Stellt sich ein Wahlbeamter, der mit dem Ruhestand liebäugelt, zumindest formal der Wiederwahl und wird dann - wie im aktuellen Fall - nicht wiedergewählt, sieht die Welt finanziell gleich viel besser aus. Sofort mit Ausscheiden aus dem Dienst wird Monat für Monat der volle, bis dahin erworbene Pensionsanspruch aus dem Wahlamt fällig. Die Mehrkosten dieses Verfahrens für den städtischen Haushalt in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro, die noch im Jahr 2016 die Ertragsrechnung belasten, zahlt der Velberter Bürger. Ein gutes Geschäft für den Neu-Ruheständler, ohne jeglichen Arbeitsaufwand.
Da staunt der arbeitende Normalbürger, dem ein solch schickes Modell üblicherweise verwehrt bleibt. In einer Zeit, in der Bundespolitiker und andere Meinungsbildner bereits über die Rente mit 70 oder 73 debattieren, dürfte ein Ruhestand mit 58 Jahren bei vollen Ruhegeldbezügen die seltene Ausnahme sein. Selbst beim heutzutage möglichen Renteneintritt mit 63 Jahren sind erhebliche Abschläge auf die Rente zu tolerieren.
Ein offener Wahlgang wäre sauberer gewesen!
Und die SPD im Stadtrat? Man kann es nur mutmaßen, da die Abwahl von Holger Richter auf Antrag der SPD leider im Geheimen erfolgte. Nicht unwahrscheinlich, dass die SPD dieses unwürdige Spiel extra auf den Weg gebracht hat, um ihren Kandidaten Gerno Böll bei nächster Gelegenheit in das frei gewordene, gut dotierte Dezernentenamt zu bringen. Böll, bis 2014 Vorsitzender der SPD-Fraktion im Velberter Stadtrat, war bei der Bürgermeisterwahl im Jahr 2014 bekanntlich nur zweiter Gewinner. Er unterlag in der Stichwahl dem jetzigen Amtsinhaber Dirk Lukrafka - und fand schon bald danach (welch ein Zufall) eine Anstellung bei der Stadt Velbert. Dort ist er seit diesem Jahr (so schnell kann ein Aufstieg mit dem richtigen Parteibuch funktionieren) Fachbereichsleiter für Schule, Soziales und Kultur und damit quasi der natürliche Nachfolger von Sozial-Dezernent Holger Richter. Bei so viel Qualifikation im eigenen (Rat-)Haus braucht es bei der jetzt diskutierten Neubesetzung der Stelle im Grunde keine externen Bewerber.
Schaden für die Demokratie?
Bleibt die abschließende Frage, wodurch die Demokratie – wenn überhaupt - mehr geschädigt wird. Ist es das demonstrative Verlassen des Sitzungsraumes, mit der von einigen Ratsmitgliedern deutliches Missfallen gegenüber einer geheimen Wahl und dem in Hinterzimmern ausgekungelten Vorgehen zum Ausdruck gebracht wird? Oder ist es nicht vielmehr das mutmaßliche Verhalten großer Teile von SPD und auch CDU, die sich im Vorfeld - so wurde es uns zumindest zugetragen - über die Vorgehensweise und Unterstützung des Dezernenten (wohlgemerkt bei der Abwahl) ausgetauscht hatten?
Dass eine Teilnahme der 14 „Wahlverweigerer“ an der geheimen Wahl und ihr Votum für die Weiterbeschäftigung von Dezernent Richter das Wahlergebnis in ihrem Sinne hätte drehen können, war bei dieser Gemengelage im Vorfeld leider nicht zu erahnen.
Hans-Dieter Schneider / Jörg Schiweck
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