
Die wunderbare Freundschaft ehemaliger Konkurrenten
Wahlkampf im Frühsommer 2014. Zwei Männer mit halbwegs realistischen Chancen bewerben sich um das Amt des Bürgermeisters. Der eine, Dirk Lukrafka, CDU, gewinnt später in der Stichwahl, übernimmt die Leitung des „Konzerns Stadt“ von Stefan Freitag und fungiert fortan auch repräsentativ als erster Bürger. Der Unterlegene, Gerno Böll (damals noch Böll-Schlereth), wird Vorsitzender der zweitgrößten Fraktion im Stadtrat, der SPD. Beruflich bleibt Böll im Sozialbereich engagiert und arbeitet außerdem als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Büroleiter des Landtagsabgeordneten Münchow. Ein bundesweit bewährtes Modell in allen etablierten Parteien, um das Feld der „ehrenamtlichen“ Kommunalpolitik auf gesicherter finanzieller Grundlage zu beackern. Die ausschließlich kommunal tätigen Wählergemeinschaften können von solchen Möglichkeiten nur träumen, zumal sie auch noch von allen Wahlkampfkostenerstattungen ausgeschlossen sind. Ein ungleicher Wettbewerb!
Rathaus Velbert: Ich will hier rein
Schon bald nach der Niederlage in der Bürgermeister-Stichwahl wurde verschiedentlich gemunkelt, dass Böll auf anderen Wegen versuchen könnte, ins Velberter Rathaus zu gelangen. Dies ist ihm nun gelungen. Zum 1. August 2015 wird er als Beschäftigter in den allgemeinen Verwaltungsdienst der Stadt eintreten und spätestens im Jahr 2016 das für ihn aufgrund seines bisherigen Werdegangs wohl eher sachfremde Amt des Fachbereichsleiters Bildung, Kultur und Sport übernehmen - ungeachtet der ebenfalls noch fehlenden Führungserfahrung. Der langjährige Leiter dieses Fachbereichs, Herr Ulrich Stahl, wird im nächsten Jahr altersbedingt ausscheiden.
Dank passgenauer Bewerbung auf eine eigens für ihn konzipierte Stellenausschreibung (so zumindest der Eindruck Außenstehender) konnte sich Böll unter fast 70 Bewerbern in einem für den Rat nicht transparenten Bewerberverfahren durchsetzen. In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Beobachtung, dass die Herren Lukrafka und Böll in letzter Zeit so häufig gemeinsam und in vertrauter Eintracht bei kommunalpolitischen Terminen anzutreffen waren, eine neue Bedeutung. Offenkundig hat sich da in den Monaten nach der Wahl zum gegenseitigen Nutzen eine ganz neue Männerfreundschaft entwickelt.
Schlüssel-Qualifikation: Parteibuch?
Nur nebenbei: Die unterlegene Bewerberin um das lukrative Amt (monatliche Bruttobezüge zwischen 4.180 Euro und 6.180 Euro, je nach Jahrgangsstufe), die kürzlich vor Gericht geklagt hat, kommt aus derselben Kaderschmiede für Karrieren im öffentlichen Dienst. Ist sie doch wie Böll SPD-Mitglied und gehörte bis zum Sommer 2014 dem Stadtrat an. Gegen Böll, der die Fraktion offenkundig dominiert, hatte sie parteiintern wohl keine Chancen.
Das „System Velbert“ lebt!
Kehren wir jetzt zu den Verhältnissen der 80er oder 90er Jahre zurück, in denen alle wichtigen Ämter in der Velberter Verwaltung und den städtischen Töchtern mit getreuen Parteimitgliedern besetzt worden sind? Neben dem beschriebenen Fall könnte der im Jahr 2014 ebenfalls nicht transparent vollzogene Wechsel von Ex-Bürgermeister Freitag auf den Chefsessel der Stadtwerke diese These untermauern.
Was bringt die Zukunft?
Werfen wir zum Schluss noch einen Blick in die Glaskugel, um eine Ahnung von möglichen künftigen Geschehnissen zu erhalten: Der Anstellungsvertrag von Böll ist auf zwei Jahre, bis zum 31.07.2017, befristet. Zufällig läuft in diesem Jahr die achtjährige Amtszeit von Sozialdezernent Holger Richter aus, der dem Vernehmen nach in den Ruhestand wechseln will. Das sind doch wirklich gute Aussichten.