
Liebe Velberterinnen, liebe Velberter,
in Deutschland werden die im Zeitraum von 1955 bis 1969 Geborenen von Statistikern als geburtenstarke Jahrgänge oder auch "Babyboomer" bezeichnet. Ich bin auch so einer: 1968 geboren, also schon einer der späteren, bin ich in Velbert-Birth aufgewachsen und dort auch zur Grundschule gegangen (unter dem unvergesslichen Rektor Hans Amling). Beim TVD Velbert habe ich die ersten sportlichen Erfahrungen im Fußball gesammelt (bei dem legendären Jugendleiter "Manni" Bock), bevor ich zum SV Borussia Velbert kam, wo ich als Spieler und später als Jugendtrainer eine wunderschöne Zeit erleben durfte. Unsere sportliche Heimat war der (Asche-)Platz hinter der Christuskirche. Heute stehen dort zwei Schulen und der SV Borussia ist mit dem SC Langenhorst und der TVg 87 zum SC Velbert fusioniert und heute am "Böttinger" zu Hause. Schulisch ging es übrigens irgendwann zum Geschwister-Scholl-Gymnasium, damals noch an der Poststraße, unter dem strengen und guten Rektorat von Eduard Neumer.
Gaming, Streaming und social-media kannten wir nicht. Wir haben jede freie Minute draußen gebolzt und gespielt. Und auch später hatten wir eine Riesenauswahl an Freizeitgestaltung. Wer ins Kino wollte, ging ins CITY, MOVIE oder PETIT. Die älteren "Boomer" kennen auch noch das RESI, CENTRAL oder METROPOL. Tanzen lernte man bei Zumholte und wer am Wochenende "abzappeln" wollte, hatte die Auswahl zwischen verschiedenen Discotheken. Mir fallen spontan Oldtimer, House of Lords, San Francisco und Remember ein, aber da waren sogar noch mehr. Ich war auch eher Kneipen- als Discogänger und hatte auch dort eine Riesenauswahl: Chez Nous/ Susi (davor Fatty), Life, Jetzt und hier, 08/15, Zum Gießer, Pflaumenbaum, Zum Ochsen, TBC und viele, viele mehr, deren Aufzählung hier den Rahmen sprengen würde.
Klamotten kamen nicht mit DHL, sondern von Hettlage, Anzug-Center, Karstadt, Pötter und anderen Geschäften. Sonntags ging es ins Stadion Sonnenblume zur SSVg - oder auch im Sommer ins Schwimmbad (mit großem Springturm, Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken, Kinder- und Babybecken - alles draußen mit riesiger Liegewiese).
Warum erzähle ich das alles?
Auch alle, die vor 1955 oder nach 1969 in Velbert-Mitte groß geworden sind, werden ähnlich schöne Erinnerungen an früher haben. Und natürlich auch alle Nevigeser und Langenberger: andere Namen, andere Orte, aber das gleiche nostalgische Gefühl.
Sie alle werden vermutlich wie ich auch so manche Veränderung in unserer Stadt bedauern. Meist ist es ein achselzuckendes Bedauern, weil eben vieles einfach der berühmte "Zug der Zeit" ist und sich nicht verhindern lässt. So verändern Netflix und Co. und der Onlinehandel nun einmal Innenstädte - hier und in ganz Europa. Oft ärgert man sich aber auch über Entwicklungen, die vermeidbar waren und die dem Stadtbild nicht gut getan haben. Sie waren vielleicht gut gemeint, aber eben leider schlecht gemacht - oder haben sich im Nachhinein als Fehler entpuppt (so zum Beispiel das Shoppingcenter, das ich leider auch anfangs unterstützt habe). Und natürlich gibt es auch Entwicklungen, die einfach gut sind. Mir fallen da zuerst der Panoramaradweg, der neu gestaltete Herminghauspark und das neue Museum ein.
Aber wenn man in einer Stadt aufgewachsen ist und erst recht, wenn man sein ganzes Leben dort verbracht hat (wie ich), sieht man noch mehr. Und das geht über Bedauern, Ärger oder Freude hinaus. Denn man sieht beim Blick auf die Entwicklung einer Stadt auch seine eigene Geschichte. Fast jede Veränderung im Stadtbild beschwört bei uns "Eingeborenen" irgendein Ereignis aus der eigenen Lebensgeschichte herauf: sei es ein besonders tolles Fußballspiel, eine missglückte Klausur, ein erster Kuss oder eine legendäre Feier. Es entsteht mehr als ein visueller Eindruck, nämlich ein Gefühl.
Nun kann man keine rein gefühlsbasierte Stadtentwicklung betreiben und mit noch so viel Herz in der Kommunalpolitik werden wir die schönen alten Zeiten, unsere Kneipen und Kinos und erst recht nicht unsere Jugend wieder zurück bekommen.
Aber ich finde schon, dass Stadtentwicklung mehr sein darf als ein liebloses Verwalten, mehr als kalte technokratische Planung. Leider sehe ich aber genau das seit einigen Jahren. Ein bisschen mehr Herzblut, ein bisschen mehr Kreativität und ein bisschen mehr Achtsamkeit darf es schon sein - egal, an welcher Stelle in der Stadt man Verantwortung trägt und egal, ob man von "hier" ist oder nicht. Dann, und nur dann, kann man die Velberter mit etwas Geduld und guten Argumenten auch von Veränderungen überzeugen und für gute neue Ideen gewinnen. Dann muss man sich hinter vorgehaltener Hand auch nicht mehr über das ständige Gemecker der Velberter beklagen.
Ich kann nur für mich und für einige Freunde (meistens auch alles "Boomer") sprechen. Wir glauben weiter an diese Stadt (sonst wären wir nicht mehr hier), aber es muss jetzt auch mal wieder aufwärts gehen - die andere Richtung haben wir nun einige Jahre erlebt.
Nach meiner Überzeugung muss dafür einiges in der Stadt ANDERS werden. Und ich bin auch bereit, mich dafür zu engagieren - mit Hirn, aber auch jede Menge Herz. In Fußballdeutsch: ich will dem müden Gekicke nicht länger von der Seitenlinie aus zugucken und meckern - ich bin auch bereit, die Ärmel hochzukrempeln und wieder mitzuspielen. Vorausgesetzt, Sie wechseln mich am 14.9., dem Tag der Kommunalwahl, auch ein. Denn dann sind die Wähler alle zusammen Trainer und bestimmen die Mannschaftsaufstellung.
Abschliessend zwei Hinweise in eigener Sache:
1. Die für heute eigentlich angekündigten "freitagsgedanken zu arbeitsplätzen in velbert" erscheinen erst nächste Woche. Hier muss ich erst noch ein paar Fakten recherchieren, damit mir kein Fehler unterläuft.
2. Ein solcher Fehler ist mir nämlich in den "freitagsgedanken - zu parteibüchern und öffentlichen ämtern" vom 8. August unterlaufen. Ich hatte dort geschrieben, dass der neue Vorstand der TBV AöR der Sohn seines (Vor-) Vorgängers ist und beide in der CDU Langenberg aktiv sind. Richtig ist, dass er der Sohn ist, falsch ist wohl, dass er in der CDU aktiv ist. Ich bedaure diesen Fehler und habe dies dem Betroffenen bereits mitgeteilt - leider, leider war meine Information hier wohl falsch. Die "freitagsgedanken" vom 8.8. habe ich entsprechend angepasst, meine grundsätzliche Aussage zum Thema Parteibücher und öffentliche Ämter ändert sich dadurch nicht.
So, das war´s für heute. Ich verbleibe bis zur nächsten Woche mit den besten Grüßen für ein fehlerfreies Wochenende!
Ihr
Stefan Freitag
(freitagsgedanken erscheinen auf der homepage von VELBERT ANDERS und geben die persönliche Meinung von Stefan Freitag wieder. Stefan Freitag, ehemaliger parteiloser Bürgermeister Velberts kandidiert bei den Kommunalwahlen am 14.09.2025 für die Wählergemeinschaft VELBERT ANDERS für den Kreistag und für den Stadtrat)