freitagsgedanken - zum lieben geld

muenzen

Liebe Velberterinnen und Velberter,

heute soll es erstmal ums Geld gehen. Ich weiß, dass ist kein Straßenfeger, aber letztlich doch ein sehr wichtiger Baustein für erfolgreiche Kommunalpolitik.

Die letzte Bilanz, die ich als Bürgermeister unterschrieben habe, wies ein Eigenkapital von rund 68 Mio € und Schulden in Höhe von rund 330 Mio € aus - das waren schon keine berauschenden Zahlen trotz jahrelanger Sparpolitik. Das ist nun 13 Jahre her. Der Entwurf des aktuellen Jahresabschlusses (2024) weist Schulden von über 500 Mio € aus. Das Eigenkapital ist faktisch auf 0 gesunken (wenn man den legalen Buchungstrick der Gegenbuchung eines Sonderpostens für Covid- und Ukraine-Krieg-Auswirkungen mal ausser Acht lässt). Kaufmännisch betrachtet ist die Stadt quasi überschuldet - trotz historisch hoher Steuersätze bei Grund- und Gewerbesteuer und durchaus sprudelnder Steuereinnahmen (in 2024 immerhin rund 158 Mio €!). Mal anders ausgedrückt: die Stadt müsste ab sofort 50 Jahre lang  jedes Jahr einen Überschuss von 10 Mio € erwirtschaften, um die Schulden jemals abzutragen. Das ist völlig utopisch - aktuell hat der Stadtkämmerer erstmal eine Haushaltssperre verhängt, weil man mal wieder dick im Minus ist. 

Wer jetzt vermutet, dass ich diese Zahlen runterbete, um der derzeitigen Ratsmehrheit von CDU und Grünen oder dem Bürgermeister den schwarzen Peter für diese Zahlen zuzuschieben, liegt falsch. Im Gegenteil: nach dem, was ich gelesen und gehört habe, kann man die städtische Finanzpolitik durchaus solide nennen. Natürlich gibt es hier und da eher fragwürdige Finanzentscheidungen, aber sie haben allesamt nicht die Dimension, die zu diesen verheerenden Zahlen führt.

Die Ursache liegt viel tiefer, sie ist strukturell und systembedingt. Wir erleben seit Jahrzehnten einen ungenierten Beutezug von Bund und Land durch die städtischen Kassen. Ständig wurden und werden den Städten neue Aufgaben übertragen, für die Bund und Land kein Geld (und meist auch keine Lust) haben. Seit Jahren lässt man die Städte zum Beispiel mit der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge weitgehend im Stich und aktuell bedankt man sich jetzt dafür, indem man sich bei den städtischen Steuereinnahmen bedient, um auf der Bundesebene Steuergeschenke zu verteilen. Selbst früher reiche Städte können ihre Haushalte inzwischen nicht mehr ausgleichen. Städte wie Velbert, die immer schon etwas finanzschwächer waren, drohen umzukippen. Der Bund macht aktuell 1 Billion neue Schulden (genannt "Sondervermögen") - mit etwas mehr als 10 % davon hätte man quasi alle kommunalen Altschulden ablösen können und damit einen gewaltigen Schub für Kultur, Sport, Infrastruktur, Digitalisierung und gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort auslösen können. 

Stattdessen wurschtelt man weiter. Es ist ja auch ein bequemes System: beschweren sich die Bürger beim örtlichen Landtags- oder Bundestagsabgeordneten über die Schliessung kommunaler Einrichtungen, über Steuererhöhungen oder kaputte Straßen, verweist dieser achselzuckend auf die Stadträte und ihre sogenannte "kommunale Selbstverwaltungshoheit". Läuft der Bürger dann zu den Stadträten oder zum Bürgermeister erfolgt - ebenso achselzuckend - der Hinweis auf die mangelnde Finanzausstattung durch Bund und Land. Hinzu kommt, dass dieses gesamte System der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen mit Zuweisungen, Umlagen, Steueranteilen und Zuschüssen so kompliziert ist, dass es sowieso nur Fachleute verstehen.

Man könnte das ein System organisierter Unverantwortlichkeit nennen: verantwortlich ist immer jemand anders - bezahlen müssen aber übrigens immer die Bürger durch höhere Steuern oder schlechtere Leistungen. 

Das ist alles nicht neu. Das wirklich Merkwürdige ist etwas anderes: diejenigen, die dann immer auf die anderen zeigen, gehören fast immer den gleichen Parteien an, meistens der CDU oder der SPD, manchmal auch den Grünen (wobei der Unterschied zwischen den dreien ja auch nicht mehr so groß ist und man meistens irgendwie und irgendwo zusammen regiert). 

Nur mal so ein Gedanke: kann es ein, dass der Protest der Städte gegen die Umverteilungspolitik von unten nach oben so leise und brav bleibt, weil die Kritik eigene Parteifreunde treffen würde? Und dass dies vielleicht eigene Karrierechancen in Land oder Bund beeinträchtigen könnte? Und kann es auch sein, dass das Interesse der Bundes- und Landespolitiker an den Kommunen so gering beleibt, weil man von dort keinen Gegenwind zu erwarten hat? Auf dem nächsten Parteitag wird man ja doch wiedergewählt - das Thema Kommunalfinanzen blenden da sowieso alle aus.

Wie kann es sein, dass Lobbyverbände wie Gewerkschaften, Sozialverbände, Industrieverbände und viele mehr, die zwar wichtig sind, aber immer nur eine bestimmte Gruppe vertreten, mehr Einfluß haben als zum Beispiel alle nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden zusammen? Schließlich vertreten diese alle Menschen im Land. Und noch eine Frage zum Schluss: warum geht es den Städten und Gemeinden zum Beispiel in Bayern und Baden-Würtemberg im Durchschnitt wesentlich besser als den NRW-Kommunen? Klar, es gibt dort ein gerechteres Finanzsystem - aber warum gibt es das dort und nicht bei uns?

In Bayern und Baden-Würtemberg werden die Gemeinderäte, Stadträte und Kreistage traditionell von freien Wählervereinigungen und lokalen Bürgerbündnissen geprägt. Bei der letzten Kommunalwahl im schönen Ländle Baden-Würtemberg kamen die unabhängigen Wählervereinigungen auf fast 37 % der Stimmen, weit vor den etablierten Parteien. Klar, dass die ein anderes Selbstbewusstsein gegenüber ihren Ländern an den Tag legen. Interessenkonflikte gibt es da nicht, Rücksicht auf Parteifreunde in Bund oder Land auch nicht. Ich habe mal einen Vertreter des Bayrischen Gemeindetages (Spitzenverband bayrischer Kommunen) kennengelernt und mich gewundert, mit welchem Selbstbewusstsein hier agiert wird. Der Protest der NRW-Städte: unorganisiert, lahm, hilflos, vorsichtig - schlicht harmlos. Die Spitzen der NRW-Kommunalverbände: Politiker von CDU und SPD.... . 

Fazit: wenn wir wirklich etwas an den Ursachen der kommunalen Finanzkrise ändern wollen, brauchen wir Stadträte und Kreistage, die frei von landes- und bundesparteilichen Rücksichtnahmen agieren und das Auftreten gegenüber Land und Bund ganz neu definieren. Wenn Sie das auch so sehen, haben Sie fast überall am 14. September die Wahl. In allen Städten des Kreises Mettmann treten unabhängige Wählergemeinschaften an. Für den Kreistag gibt es ein kreisweites Bündnis, die UWG-ME. In Velbert gibt es mehrere Möglichkeiten, von denen ich - wenig überraschend - die Wählergemeinschaft VELBERT ANDERS empfehle, die sich seit über 30 Jahren unter dem Motto "Bürger, die handeln...." einmischt in die kommunale Politik.

So, das wars erstmal mit den Zahlen. Bei den nächsten freitagsgedanken geht es dann um eine spezielle Form der Selbstbedienung, der politischen.

Ich würde mich freuen, wenn Sie dann wieder vorbeischauen und verbleibe bis dahin mit den besten Grüßen für ein sorgenfreies Wochenende,

Ihr

Stefan Freitag 

(freitagsgedanken erscheinen wöchentlich, natürlich freitags, auf der homepage von VELBERT ANDERS und geben die persönliche Meinung von Stefan Freitag wieder. Stefan Freitag, ehemaliger parteiloser Bürgermeister Velberts kandidiert bei den Kommunalwahlen am 14.9.2025 für die Wählergemeinschaft VELBERT ANDERS für den Kreistag und Stadtrat)



© www.velbert-anders.de   Freitag, 1. August 2025 06:00 Freitag

30 Jahre Wählergemeinschaft "VELBERT anders"

Lokal verankert. Seit der Gründung am 26. April 1994 sind wir in Velbert verankert. Als erste, ausschließlich für die Orts- bzw. Stadtteile Langenberg, Neviges, Tönisheide und Velbert tätige, freie Wählergemeinschaft haben wir hier unsere Basis und prägen die Politik für die Velberter Bürger ohne ideologische Vorbehalte mit. Die Überlegungen, die vor drei Jahrzehnten zur Gründung von „VELBERT anders“ geführt haben, sind nach wie vor aktuell: Bürgernähe, konstruktive Mitarbeit auf kommunaler Ebene, anstelle lautsprecherischer Polemik allein zu Wahlkampfzeiten, ideologisch unabhängig und keiner Landes-oder Bundesregierung verpflichtet. -anders eben!
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