
Liebe Velberterinnen und Velberter,
als ich vor ein paar Wochen ein Buch suchte, stieß ich im Bücherregal auf ein Buch aus den 90er Jahren, in dem ich spontan etwas blätterte und dabei an Velbert denken musste.
Kennen Sie Hans-Herbert von Arnim? Nein? Herr von Arnim ist ein deutscher Verfassungsrechtler an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Ende der 90er Jahre erschien sein Buch "Fetter Bauch regiert nicht gern". In diesem wie in einigen anderen seiner Werke setzt er sich sehr kritisch mit der Macht der Parteien in Deutschland auseinander und warnt vor den Folgen einer ungezügelten politischen Selbstbedienungsmentalität. In einem der Kapitel des auch heute noch hochaktuellen Buches beschreibt er den Missstand, dass immer mehr Beamte nicht nur ein Parteibuch besitzen (woran nichts auszusetzen ist), sondern vor allem aufgrund eines bestimmten Parteibuches eine Spitzenposition in einer Behörde besetzen (woran eine Menge auszusetzen ist). Letzteres führe, so von Arnim, zu einer Erstarrung des Systems, da man auf Machterhalt und Parteiinteressen fokussiert sei und sich letztlich nur noch um sich selber drehe, weil Reformimpulse von aussen fehlen. So sehr mich das Buch seinerzeit bewegt hat, so froh war ich Ende der 90er Jahre doch, bei der Stadtverwaltung Velbert zu arbeiten. Denn im Stadtrat hatte sich damals - über Parteigrenzen hinweg - irgendwie die Erkenntnis durchgesetzt, dass Schluss damit sein muss, Spitzenpositionen in der Verwaltung nur nach Parteienproporz zu vergeben (davor gab es auch in Velbert praktisch nur Amtsleiter mit CDU- oder SPD-Parteibuch). So wurde der Personalausschuss, in dem die Politik über Beförderungen bis hin zur Sachbearbeiterebene entschied, aufgelöst. Die alte verkrustete Ämterstruktur wurde abgeschafft und ein neues Steuerungsmodell etabliert. Soweit im öffentlichen Dienst möglich wurde das Leistungsprinzip realisiert. In der Folge gab es dann sogar, früher undenkbar, parteilose Vorstandsmitglieder. Der Autor dieser Zeilen durfte diesen Reformkurs als (parteiloser) Stadtkämmerer und Personaldezernent federführend umsetzen. Und er hatte die volle Rückendeckung der Politik.
Velbert war tatsächlich etwas anders als andere Städte. Und der letzte Hauch dieses Reformwindes weht bis heute über die Rathausflure. Noch heute gibt es viele Beamte in Spitzenpositionen, die diese alleine Ihrem Können zu verdanken haben. Und bitte verstehen Sie mich nicht falsch: auch innerhalb der Parteien gibt es Top-Fachleute. Ich durfte selbst mit vielen von Ihnen zusammenarbeiten.
Seit einiger Zeit, genauer seit rund zwei Jahren, habe ich aber die Befürchtung, dass Velbert den beschriebenen Kurs verlässt bzw. verlassen hat und wieder in alte Zeiten zurückfällt. Dazu drei Beispiele. Nr.1 : in 2024 wurden drei Beigeordnete (Vorstandsmitglieder) neu gewählt und der Verwaltungsvorstand erweitert. Einer davon war der (parteilose) Kämmerer, der den Job zuvor schon als "normaler" Beamter ausfüllte. Die beiden anderen Spitzenjobs gingen jedoch an Bewerber, die zuvor noch nie eine Führungsposition in einer städtischen Verwaltung ausgeübt hatten. Eine Bewerberin hatte ein grünes Parteibuch, der andere ein CDU-Parteibuch.
Beispiel Nr.2: Nachfolger des aus Velbert abgewanderten TBV-Chefs Sven Lindemann wurde der Sohn seines Vorgängers. Wohlgemerkt: die TBV gehören der Stadt und sind kein Familienunternehmen.
Nr.3: Ein beliebtes und bekanntes Ratsmitglied der CDU (von Beruf Versicherungskaufmann) wurde "in Teilzeit" (was immer das heißt) Geschäftsführer der städtischen Beteiligungsgesellschaft DBV (Entsorgungsbranche, Deponien, Wertstoffhof), obwohl die Gesellschaft schon einen hauptamtlichen Geschäftsführer hat. Ob etwas an dem Gerücht dran ist, dass die neue CDU-Spitze sich so elegant eines selbstbewussten Kritikers entledigen konnte, weiss ich nicht. Es würde aber leider ins Bild passen.
Dass einige der genannten neuen städtischen Spitzenbeamten in Verletzung ihrer Neutralitätspflicht in CDU-Wahlwerbespots auftreten, passt leider auch ins Bild. Nun, immerhin, der Landrat hat es wohl verboten.
Wohlgemerkt: mir steht es nicht zu, ein Urteil über die betroffenen Personen zu fällen - die meisten kenne ich gar nicht persönlich. Vielleicht sind es allesamt fachliche Koriphäen und über jeden Zweifel erhaben. Ich würde mir das wünschen.
Aber die Vielzahl dieser Vorgänge macht nachdenklich und wirft Fragen auf. Hoffentlich sind die genannten Beispiele nicht doch Ausdruck einer kurzsichtigen und arroganten schwarz-grünen Machtpolitik. Hoffentlich bewegen wir uns in Velbert nicht doch wieder zurück in den von Prof. von Arnim beschriebenen und kritisierten "Interessendschungel der politischen Klasse". Die Bayern nennen das übrigens einfach Filz und die Kölner Klüngel.
Macht braucht Kontrolle. Das gilt erst recht, wenn es sogenannte Machtkartelle gibt, in denen bestimmte Parteien sich hinter den Kulissen auf eine Verteilung von Posten einigen (was in der Politik nun mal üblich ist). Und es gilt ganz bestimmt, wenn die eigentlich "vierte Gewalt im Staate", nämlich die lokale Presse, zu solchen Vorgängen schweigt.
Macht braucht Kontrolle. Und auch deshalb habe ich mich entschlossen, der Wählergemeinschaft VELBERT ANDERS beizutreten. Denn VELBERT ANDERS wird niemals Ansprüche für eigene Mitglieder auf Positionen in der Verwaltung oder in städtischen Beteiligungen stellen. Dies widerspricht dem eigenen Selbstverständnis und der eigenen Satzung. Man will einfach das Beste und die Besten für Velbert. Punkt. Parteizugehörigkeiten dürfen dabei keine Rolle spielen. In diesem Sinne könnte Velbert doch gerne am 14.9. wieder etwas ANDERS werden. Finden Sie das auch?
In der nächsten Woche lesen Sie, was der 23.2.2025 mit meiner Entscheidung zu tun hat, noch einmal in die Kommunalpolitik zurück zu kehren. Bis dahin verbleibe ich, mit den besten Grüßen für ein sorgenfreies Wochenende,
Ihr
Stefan Freitag
(freitagsgedanken erscheinen wöchentlich, natürlich freitags, auf der homepage von VELBERT ANDERS und geben die persönliche Meinung von Stefan Freitag wieder. Stefan Freitag, ehemaliger parteiloser Bürgermeister Velberts kandidiert bei den Kommunalwahlen am 14.09.2025 für die Wählergemeinschaft VELBERT ANDERS für den Kreistag und den Stadtrat)